Einmal Waschen, Schneiden, unglücklich machen, bitte!
Haare sind das Heiligtum einer jeden Frau – das sei am Beginn dieser Kolumne deutlich gesagt. Wir lieben unsere Haare. Und das abgöttisch. Ein Friseurbesuch kann für uns manchmal die reinste Apokalypse darstellen. Mancher Mann vermag jetzt bestimmt die Augen verdrehen, doch diese Bindung zwischen Frau und Haar ist inniger als manch andere Beziehung.
Und dafür gibt es genügend logische Gründe.
Erstens: Sind die Haare mies, ist alles mies. Da kann die heißeste Frau der Welt auf Megahacken durch die Gegend tänzeln, aber wenn die Haare eine Katastrophe sind, kann der Hüftschwung noch so lasziv sein. Wenn früh am Morgen die Zeit nicht mehr zum Haare waschen reicht, ist der Tag gelaufen. Sitzen dagegen die Haare perfekt, fühlen wir uns wie die Königin der Welt.
Zweitens: Haare machen schön. Haare sind wahre Schön- und auch Schlankmacher. Mit dem richtigen Haarschnitt kann Frau runde Gesichter und eine hohe Stirn einfach wegzaubern. Wahnsinn, oder? Die Diät von morgen: Neuer Haarschnitt, bitte!
Es könnte so einfach sein. Zum Friseur gehen. Genießen. Glücklich sein. Meist ist die Vorfreude vor dem nahenden Friseurbesuch gigantisch. Im Internet noch schnell ein paar Frisuren ergoogelt und in Gedanken schon die passenden Klamotten kombiniert. Doch nur selten geht diese Rechnung auf.
Ich erinnere mich an meinen schrecklichsten Friseurbesuch. Damals hatte sich kurz vor Weihnachten mein damailiger Freund von mir getrennt. Ich war am Boden zerstört und habe Massen an Schokoladeneiscreme zu dieser Zeit verschlungen. Doch dann kam dieser Punkt, an dem ich mich nicht mehr verkriechen wollte, sondern mich schön und begehrenswert fühlen wollte. Da eine Diät zu lange gedauert hätte, entschied ich mich für ein Verwöhnprogramm beim Friseur.
Im Grunde war ich zufrieden mit meinen Haaren - ein wenig kürzer und durchstufen war mein Plan. Als ich die Friseurin Mitte 50 mit ihrer Dauerwelle sah, hätte ich es eigentlich besser wissen sollen. Dieser Plan konnte nicht funktionieren. Er war zum Scheitern verurteilt. Ich hätte gehen sollen. Ehrlich. Da mein damaliges Ich jedoch noch an das Gute im Menschen glaubte, setzte ich mich auf den Stuhl. Während sie fröhlich Strähne für Strähne kürzte, ahnte ich Schlimmes. Das Verhältnis von Haare auf dem Kopf und Haare auf dem Boden war irgendwie falsch. Aber aus irgendeinem Grund sagte ich nichts. Vielleicht hoffte ich ernsthaft darauf, dass meine Haare nach dem Föhnen wieder länger werden.
Irgendwann meinte ich dann, ich wolle es nicht so kurz. Sie entgegnete nur, dass es schon seine Richtigkeit hat. Meine vorher schulterlangen Haaren waren plötzlich kurz. Viel zu kurz. Sie reichten nicht einmal bis zu meinem Kinn. Während ich in den Spiegel starrte, kamen mir schon die ersten Tränen. Hätte ich nicht noch ein wenig Selbstbeherrschung gehabt, hätte ich geheult wie eine vierjährige, deren Hund gerade gestorben ist. Ich versuchte krampfhaft nicht zu weinen und vor allem nicht zu schreien. Ich sah aus wie Prinz Eisenherz. Prinz Eisenherz, der in den Hexler gekommen ist. Denn beim "Durchstufen" hatte sie sich besonders ausgelassen. Als sie dann noch anfing, meine Haare über eine Rundbürste zu föhnen, war es aus. Ich schrie durch den ganzen Salon, sie solle aufhören. Verdutzt blickte sie mich an und meinte, sie müsse ja noch zu Ende föhnen. Ich riss ihr den Föhn aus der Hand und versuchte verzweifelt, die wenigen Haare nach unten zu föhnen. Mein Freund hatte mich kurz vor Weihnachten verlassen und ich sah aus wie Prinz Eisenherz. Meine Gedanken überschlugen sich und im nachhinein kann ich mir nur annährend vorstellen, welches Bild ich im Salon abgegeben habe. Ich ging ohne zu bezahlen.
Wusstet Ihr, dass Haare im Schnitt ein Zentimeter pro Monat wachsen? Das würde mir erst bewusst, als ich mich auf der nächstmöglichen Toilette eingeschlossen hatte und weinte wie ein kleines Kind. Es fehlten mindestens 20 cm. 20 Monate.
In Friseursalons haben sich bei mir schon einige Dramen abgespielt. Als ich 15 war, hatte ich Lust auf eine Veränderung. Und das sagte ich auch der Friseurin. Am Ende hatte ich kurze Haare, schloss mich in meinem Zimmer ein und heulte den ganzen Abend. Man sagt zwar, man gewöhne sich irgendwann an die neue Friseur, doch in diesem Fall war es nicht so. Seitdem habe ich nie wieder in einem Salon gesagt, ich hätte Lust auf eine Veränderung.
Ist die Frisur erst runuiniert, ist alles zu spät. Für uns Frauen eine Katastrophe. Und dafür gibt es genügend logische Gründe. Sind die Haare mies, ist alles mies. Haare machen schön. Aber auch hässlich.