Mythos Frau
Wer schön sein will...
Mythen gibt es über uns Frauen genug. Man könnte meinen, die Gesellschaft hätte nichts besseres zu tun, als sagenhafte Erzählungen über uns festzuhalten. Wir haben immer kalte Füße und wir können nicht einparken. In dieser Kolumne geht es allerdings nicht um diese "Mythen", die tagtäglich in den Klatsch-Magazinen widerworfen und zerfleischt werden, sondern um jene Mythen, die vor allem durch die heutige Werbung geprägt werden. Werbung, die uns Frauen prägt und formt.
Seidenweiche Haut und glänzendes Haar. Schaut man sich heute Plakate oder Werbespots als Frau länger als 2 Sekunden an, möchte man sich am liebsten in ein Erdloch verkriechen. Die überdimensionalen Schönheiten mit ihrer porenfreien Haut springen uns regelrecht an. Porenfrei trotzt 300 % Vergrößerung. Rank und Schlank trotzt Querformat. Beneidenswert. Heschelnde Männer und verzweifelnde Frauen.
Werbung zeigt, wie wir Frauen wirklich sind. Perfekt gepflegt von Kopf bis Fuß. 24 Stunden am Tag. 7 Tage die Woche. 52 Wochen im Jahr. Kein Pickelchen. Kein Spliss. Und immer perfekt glatte Beine. Die Werbung ist der Beweis! Manche schreien jetzt sicherlich empört auf: Jeder weiß, dass das nicht die Realität ist. Sicher? Bei manchen Männern bin ich mir da nicht mehr ganz sicher. Und was nützt es mir als Frau, wenn ich zwar weiß, dass dieses Frauenbild total unrealistisch (und für mich definitiv nicht erreichbar ist) , aber ich weiß, dass der Mann der Träume dies nicht weiß? Ein Mann, der an die Perfektion Frau glaubt. Ein Alptraum. Würde es nach dieser Vorstellung gehen, müssten wir jeden Tag aufreizende Dessous anhaben und unsere Beine hätten noch nie das kleinste Härchen erblickt. Mal ganz von unserer Porzellanhaut und der immersitzenden Frisur abgesehen. Allein das Wissen dieser Erwartbarkeit uns Frauen gegenüber macht uns wahnsinnig. Spontanität ist für uns Frauen keine Option mehr. Mal schnell in 5 Minuten zu einem Date? Nie im Leben! Ich erinnere mich an eine Situation vor ungefähr 2 Jahren. Damals hatte ich ein paar Verabredungen mit einem jungen Mann gehabt. Wir kannten uns noch nicht lange. Dementsprechend waren wir noch in dieser Phase, in der ich gefühlte 24 Stunden vor einer Verabredung mit meinem Zurechtmachen verbracht habe. Eines abends kam eine SMS von ihm, dass er gerade in der Nähe sei und in 10 Minuten da sei. Bitte was? Ich sehe heute noch mein entsetztes Gesicht. Ich eingemümmelt auf meiner Couch in einer Jogginghose und einem XXL Shirt. Meine Haare wollte ich mir erst morgen früh waschen und zum Beine rasieren war ich heute früh zu faul gewesen. Der Alptraum. Spontane Frauen gibt es vielleicht in amerikanischen Liebeskomödien aber nicht hier in der Realität! Also was tat ich? Ihm sagen, dass er wieder umkehren könne - das fand er allerdings nicht so prickelnd.
Dass es heute in der Werbung nicht mehr schlanker geht, wissen wir ja bereits. Strich, Strich, Strich - fertig ist der Frauenkörper. Ach, ich vergaß. Strich, Strich, Strich, großer Kreis, großer Kreis - fertig ist der Frauenkörper. Wir nähern uns dem Ideal Barbie. Dass das anatomisch im Bereich des Unmöglichen liegt, scheint allerdings niemand zu interessieren. Seitdem durch YouTube und diverse intelligente TV-Shows Ken- und Barbieverschnitte in Lebensgröße tänzeln, scheint die anatomische Unmöglichkeit auch kein Argument mehr zu sein.
Werbung ist unfair. Frauen, die früh morgens in voller Schönheit die Augen aufschlagen, in aufreizender Schlafwäsche zum Schrank tänzeln und den kürzesten aller Röcke anziehen. Unfair. Ich bin mir der schonungslos harten Wahrheit bewusst, dass ich mich nie in eine 34 hineinbekommen würde. Auch wenn ich aufhören würde zu essen. Ich will es auch gar nicht. Dafür liebe ich Schokolade zu sehr. Es gibt jedoch genug junge Frauen da draußen, für die Werbung die Realität ist. Werbung als Vorbild. Jeder weiß zwar, dass das große Diät- und Schönheitsmittel Photoshop heißt, aber das hält die meisten jungen Menschen nicht davon ab, sich das makeloseste Foto aus einer Zeitschrift herauszureißen und an den Schrank zu kleben. So will ich auch aussehen! Na Herzlichen Glückwunsch. Erst neulich sah ich ein junges Mädchen um die 16 Jahren in einem beliebigen Supermarkt. Der Anblick war schockierend. Meterhohe Highheels. Enge Lederleggings (zu enge Lederleggings). Enges Oberteil mit Leopardenmuster. Clutch. Toupiertes Haar bis zum Anschlag. Sie stackste durch die Gänge - zwischen Milch und Backzubehör. Man sah es ihr förmlich an, dass alles zwickte und zwackte. Am liebsten hätte ich sie mit beiden Händen gepackt und kräftig geschüttelt.